Ein stummer Hilferuf am Straßenrand.
Wenn ich so durch fremde Städte gehe, mag ich es Schilder zu lesen. Firmenschilder, Hinweisschilder, Verbotsschilder, allesamt Teil unserer öffentlichen Wahrnehmung.
So auch letzten Sonntag als ich über das Schild eines Arztes gestolpert bin: Heinrich X, praktischer Arzt, Traditionelle Heilmethoden. Ach, dachte ich, daß ist ja praktisch,wenn ich mal wieder Bock auf einen Aderlass habe und Blutegel wird er auch haben zum ansetzen.
Dann widmete ich mich weiteren Überlegungen was wohl hier in Europa unter traditionellen Methoden zu verstehen sei. Kamillentee und frische Luft bei Tuberkulose?
Macht er auch noch traditionelle Geburtshilfe, so mit einer Säuglingsterblichkeit von 0,3 und Müttersterblichkeit von 0,3 bis 0,6, je nach Alter der Mutter? Aus dem Mund des Bürgermeisters: "Auf unserem Friedhof ist der Doktor ein gerne gesehener Belegarzt."
Warum bietet jemand so eine Dienstleistung an? Sein Schild interpretiert heißt doch: praktischer Arzt = ärztliche Zulassung ohne weitere Fachausbildung, keine Promotion, nicht einmal ein billiger Dr. med.. Er hat sein Studium gerade mal so geschafft, für weitere Karrierebausteine ist er entweder zu blöd, hat keine Beziehungen, keinen familiären Hintergrund und kein Geld. Moderne Medizin überfordert ihn. Im Prinzip ist er ein verzweifelter Spieler, nur dass er nicht mit Geld spielt, sondern mit der Hoffnung seiner Patienten.
H.O.