Gedichte und Zitate

  • "Die Blindgläubigkeit macht ihn fuchtig, weil sie den Menschen ohnmächtig erscheinen läßt. Eine solche Lebensart würde alle edleren Kräfte des Menschen einschläfern und ersticken, daß sie auf keine Künste und Wissenschaften dächten...Eine Arbeit hingegen ist in seinem natürlichen Bemühen gemäß und vergnügt ihn, wenn sie gerät und Nutzen schafft, ja, desto mehr, je mehr Schwierigkeiten dabei zu überwinden sind, und je mehr Kunst, Witz, Nachdenken, Vorsicht, Wissenschaft dabei angewandt werden."


    Gotthold Ephraim Lessing


    Notabene: Unter Blindgläubigkeit versteht Lessing den Glauben an die Fremdsteuerung des Menschen durch göttliche, übernatürliche oder konspirative Kräfte.

  • Nene, das muss ich zurecht rücken: Blindgläubigkeit und Lohnsklaverei haben nichts mit einander zu tun. Lohnsklaverei ist die wirtschaftliche Abhängigkeit. Mit Blindgläubigkeit ist hingegen der religiöse Wahn, der Glauben an übernatürliche Kräfte oder Fremdsteuerung durch konspirative Kräft gemeint. Blindgläubigkeit ist damit das Gegenteil der Aufklärung, wie Kant sie versteht, nämlich als Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit. Blindgläubigkeit ist selbstverschuldete Unmündigkeit.

    Auch wer wirtschaftlich abhängig ist, ist deswegen noch lange nicht unmündig, und dies schon gar nicht selbstverschuldet.


    Hennes

  • Ein junger Mensch, ich weiß nicht wie,

    Starb einst an der Hypochondrie

    Und ward denn auch begraben.


    Da kam ein schöner Geist herbei,

    Der hatte seinen Stuhlgang frei,

    Wie’s denn so Leute haben.


    Der setzt’ notdürftig sich aufs Grab

    Und legte da sein Häuflein ab,

    Beschaute freundlich seinen Dreck,

    Ging wohl eratmet wieder weg


    Und sprach zu sich bedächtiglich:

    »Der gute Mensch, wie hat er sich verdorben!

    Hätt er geschissen so wie ich,

    Er wäre nicht gestorben!«

    (Goethe)

  • "Das älteste Recht der Germanen ist Volksrecht, also ungesetztes Recht, nicht das Werk eines göttlichen oder menschlichen Gesetzgebers, autonome, nicht heteronome Ordnung. Es lebt im Gewissen jedes einzelnen und in der Überzeugung aller; es fließt aus dem 'Volksgeist' als der Summe der verbindenden Wertvorstellungen einer konkreten Gemeinschaft. Es gehört zum Weltbild der Germanen; ihre Welt ist eine Welt des Rechts, dem selbst die Götter unterworfen sind. Von der Wahrung des Rechtes hängt der Bestand der Welt ab. ... Es ist eine vernünftige Ordnung der Dinge, eine objektive Wahrheit, die nur gefunden zu werden braucht. ..."

    (Heinrich Mitteis / Heinz Lieberich: "Deutsche Rechtsgeschichte", 11. Aufl., München 1969)

  • ''Der geringste Bauer und Bettler ist ebensowohl ein Mensch wie der König. Ein Justizkollegium, das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer wie eine Diebesbande. Vor der kann man sich schützen! Aber vor Schelmen, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üblen Pressionen auszuführen, vor denen kann sich kein Mensch hüten; sie sind ärger wie die größten Spitzbuben in der Welt und meritieren eine doppelte Bestrafung.''

    (Friedrich der Große)

  • ''Es ist alles im Kriege sehr einfach, aber das Einfachste ist schwierig. Diese Schwierigkeiten häufen sich und bringen eine Friktion, das heißt unvorhergesehene Hemmungen, hervor, die sich niemand richtig vorstellt, der den Krieg nicht gesehen hat.''

    (Generalmajor Carl v. Clausewitz)

  • ''Denn das bloße Anblicken einer Sache kann uns nicht fördern. Jedes Ansehen geht über in ein Betrachten, jedes Betrachten in ein Sinnen, jedes Sinnen in ein Verknüpfen, und so kann man sagen, dass wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren.''

    (Goethe)

  • Das Narrenschiff


    Das Quecksilber fällt, die Zeichen stehen auf Sturm,

    Nur blödes Kichern und Keifen vom Kommandoturm

    Und ein dumpfes Mahlen grollt aus der Maschine.

    Und rollen und Stampfen und schwere See,

    Die Bordkapelle spielt „Humbatäterä",

    Und ein irres Lachen dringt aus der Latrine.

    Die Ladung ist faul, die Papiere fingiert,

    Die Lenzpumpen leck und die Schotten blockiert,

    Die Luken weit offen und alle Alarmglocken läuten.

    Die Seen schlagen mannshoch in den Laderaum

    Und Elmsfeuer züngeln vom Ladebaum,

    Doch keiner an Bord vermag die Zeichen zu deuten!

    Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken

    Und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,

    Die Mannschaft lauter meineidige Halunken,

    Der Funker zu feig' um SOS zu funken.

    Klabautermann führt das Narrenschiff

    Volle Fahrt voraus und Kurs auf's Riff.


    Am Horizont wetterleuchten die Zeichen der Zeit:

    Niedertracht und Raffsucht und Eitelkeit.

    Auf der Brücke tummeln sich Tölpel und Einfaltspinsel.

    Im Trüben fischt der scharfgezahnte Hai,

    Bringt seinen Fang ins Trockne, an der Steuer vorbei,

    Auf die Sandbank, bei der wohlbekannten Schatzinsel.

    Die andern Geldwäscher und Zuhälter, die warten schon,

    Bordellkönig, Spielautomatenbaron,

    Im hellen Licht, niemand muß sich im Dunkeln rumdrücken

    In der Bananenrepublik, wo selbst der Präsident

    Die Scham verloren hat und keine Skrupel kennt,

    Sich mit dem Steuerdieb im Gefolge zu schmücken.

    Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken

    Und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,

    Die Mannschaft lauter meineidige Halunken,

    Der Funker zu feig' um SOS zu funken.

    Klabautermann führt das Narrenschiff

    Volle Fahrt voraus und Kurs auf's Riff.


    Man hat sich glatt gemacht, man hat sich arrangiert.

    All die hohen Ideale sind havariert,

    Und der große Rebell, der nicht müd' wurde zu streiten,

    Mutiert zu einem servilen, gift'gen Gnom

    Und singt lammfromm vor dem schlimmen alten Mann in Rom Seine Lieder, fürwahr:

    Es ändern sich die Zeiten!

    Einst junge Wilde sind gefügig, fromm und zahm,

    Gekauft, narkotisiert und flügellahm,

    Tauschen Samtpfötchen für die einst so scharfen Klauen.

    Und eitle Greise präsentier'n sich keck

    Mit immer viel zu jungen Frauen auf dem Oberdeck,

    Die ihre schlaffen Glieder wärmen und ihnen das Essen vorkauen.

    Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken

    Und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,

    Die Mannschaft lauter meineidige Halunken,

    Der Funker zu feig' um SOS zu funken.

    Klabautermann führt das Narrenschiff

    Volle Fahrt voraus und Kurs auf's Riff.


    Sie rüsten gegen den Feind, doch der Feind ist längst hier.

    Er hat die Hand an deiner Gurgel, er steht hinter dir.

    Im Schutz der Paragraphen mischt er die gezinkten Karten.

    Jeder kann es sehen, aber alle sehen weg,

    Und der Dunkelmann kommt aus seinem Versteck

    Und dealt unter aller Augen vor dem Kindergarten.

    Der Ausguck ruft vom höchsten Mast: Endzeit in Sicht!

    Doch sie sind wie versteinert und sie hören ihn nicht.

    Sie zieh'n wie Lemminge in willenlosen Horden.

    Es ist, als hätten alle den Verstand verlor'n,

    Sich zum Niedergang und zum Verfall verschwor'n,

    Und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden.

    Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken

    Und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,

    Die Mannschaft lauter meineidige Halunken,

    Der Funker zu feig' um SOS zu funken.

    Klabautermann führt das Narrenschiff Volle Fahrt voraus und Kurs auf's Riff.


    R. Mey